Da wir vom Inle See leider nicht nach Loikaw weiterreisen können, muss nun Plan B her.
Doof, dass wir im Moment gar keinen Plan B haben – knapp zwei Wochen bleiben uns noch. Im Westen soll es den schönsten Strand geben und weiter Richtung Süden locken uns auch noch so einige Highlights – also wohin?
Nach einigen Überlegungen beschließen wir erst mal uns alle Möglichkeiten offen zu lassen und buchen ein Busticket in die goldene Mitte. Auch um Fahrtzeiten von 10 Stunden oder mehr zu vermeiden.
Naypyidaw
Mit dem Nachtbus geht es für uns nach Naypyidaw. Der Ort war früher ein kleines Dorf auf halber Strecke zwischen Mandalay und Yangon. Hier ließ die Regierung heimlich eine neue Hauptstadt erbauen mit Straßen der Superlative. Nach Fertigstellung der geheimen Baustelle, zog die Regierung 2005 in einer Nacht und Nebelaktion in die neue Hauptstadt um. Seitdem schmückt sich Naypyidaw mit dem Titel Hauptstadt Myanmars.
Die Einheimischen bezeichnen Naypyidaw auch als „Ghost City“ – denn die Stadt ist beispielsweise viermal so groß wie London hat aber neunmal weniger Einwohner als die britische Hauptstadt.
Ganz nach dem Motto Fernsehen bildet, bin ich außerdem in einer „Top Gear“ Folge darauf aufmerksam geworden, dass es in Naypyidaw 20-spurige Straßen gibt, auf denen fast keine Autos fahren. Das muss man einfach mal mit eigenen Augen sehen.
Da es vom Inle See keinen direkten Bus in die Hauptstadt gibt, organisiert uns unser Guesthouse Besitzer einen Fahrer. Dieser bringt uns zu einer 20km entfernten Kreuzung, an der im Minutentakt Überlandbusse vorbei fahren. Zum Glück wartet der Fahrer mit uns und hält den richtigen Bus für uns an – denn vertraut sind wir mit der fremden Schrift nun mal überhaupt nicht. Oder hättest du gewusst was နေပြည်တော် heißt?
Sieben Stunden später, mitten in der Nacht erreichen wir den Busbahnhof von Naypyidaw. Unser Hotel haben wir aber erst für die Nacht darauf reserviert – na ja, was soll’s versuchen kann man es ja mal. Und siehe da, wir können morgens um 3:30 Uhr einchecken ohne einen Aufpreis zu zahlen. Das nenne ich Service! Oder der nette Rezeptionist, den ich aus dem Schlaf geholt habe, ist einfach nur zu verpeilt.
Nachdem wir ausgeschlafen haben, leihen wir uns einen Motorroller und machen uns auf die Suche nach dieser gigantischen 20-spurigen Straße. Kann man ja eigentlich nicht übersehen, oder?
Vorher versuchen wir aber noch unsere Weiterreise für den nächsten Tag zu organisieren. Wir halten am Busbahnhof um Tickets Richtung Westen zu erstehen, um am schönsten Strand Myanmars in Ngapali, baden zu gehen. Leider spricht vor Ort niemand Englisch. Keine der Informationen, die wir erhalten, deckt sich mit der, die wir im Vorfeld recherchiert haben. Irgendwie ist uns die ganze Sache zu heiß – also mal wieder: neuer Plan.
Kurzerhand kaufen wir mit Händen und Füßen ein Ticket nach Yangon, die einzige Destination, die wir auf den Schildern der Busunternehmen lesen können.
Nachdem nun also das Ziel für den nächsten Tag feststeht, geht es auf Richtung Straße der Superlative. Nach jedem Kreisverkehr tauchen mehr Spuren vor uns auf, bis wir sie dann erreicht haben – eine 20-spurige Straße, auf der rein gar nichts los ist. Voll verrückt!
Erst die Aufnahmen mit der Drone zeigen wie absurd das ganze Szenario eigentlich ist. 20 Spuren und gerade mal zwei Autos – wer braucht das?
Diese Straße ist aber auch schon das Einzige was Nyapyidaw zu bieten hat und darum nehmen wir am nächsten Tag den Bus in die alte und heimliche, ehemalige Hauptstadt Myanmars – Yangon.
Yangon
Hier hätten die Straße wirklich Not getan. Denn bevor wir den Busbahnhof überhaupt erreichen, stehen wir eine Stunde an einer Ampelkreuzung im Stau. Es ist kein Unfall oder Sonstiges, der den Verkehr behindert – es warten einfach so viele Autos darauf bis Grün wird. Alltag auf Yangons Straßen!
Das wird auch im Taxi deutlich, denn für die 15km nach Downtown benötigen wir mehr als eine Stunde. Schon auf der Fahrt lässt sich erahnen, dass es hier viel zu entdecken gibt.
Wie so oft in solch großen südostasiatischen Städten legen wir den Reiseführer beiseite und lassen uns durch die Stadt treiben, um tolle Fotomotive aufzuspüren.
Yangon erinnert uns ein wenig an Bangkok. Laut, dreckig, stickig, geschäftig und vor allem voller Gegensätze.
Beim Rundgang durch Downtown fällt uns zunächst die Architektur ins Auge – alte heruntergekommene Kolonialbauten prägen das Stadtbild. In jedem Haus befindet sich in der unteren Etage ein Ladengschäft, will man die Wohnetagen betreten, muss man erst eine steile lange Treppe hinter sich bringen. Irgendwie wollen die neugebauten modernen Bürogebäude, Hotels und Shopping Malls gar nicht so richtig hierher passen.
Vor allem im indischen Viertel geht es geschäftig zu – aber nicht wild durcheinander, sondern hier hat alles ein System. So gibt es eine Straße, in der ausschließlich Elektroschrott gehandelt wird. In der nächsten Straße kann man Schreibwaren erstehen und wiederum in der nächsten Straße bekommt man alles rund um das Thema Schneiderei. Macht für mich vollkommen Sinn.
Yangons Straßen sind außerdem leider geprägt vom Müll und Dreck, den die Millionenmetropole jeden Tag produziert. Genau wie in Hanoi wird der Müll in kleinen Häufchen auf der Straße entsorgt und nachts von der Müllabfuhr beseitigt – Mülltonnen gibt es hier nicht. Richtet man den Blick auf die Erde fällt auf, dass Straßen und Gehwege übersäht sind mit roten Flecken. Was ist das, fragen wir uns?
Auf unserer bisherigen Reise durch Myanmar ist uns bereits aufgefallen, dass in Myanmar die Wenigsten rauchen – hier sind Betelnüsse populär. Die Betelnuss ist für viele eine Alltagsdroge – an jeder Ecke wird sie verkauft – eingewickelt in Blätter und vermengt mit Tabak. Ungelogen jeder zweite hier, kaut ununterbrochen auf diesen Nüssen. Die schädigen nicht nur den Zähnen und färben diese rot, sondern regen auch die Speichelproduktion an. Die roten Flecken auf Myanmars Straßen sind also Speichelpfützen. Als wäre das Ganze nicht schon schädlich genug, kann das Kauen auf der Betelnuss auch noch Krebs verursachen – aber die Burmesen können einfach nicht davon ablassen, obwohl jeder weiß, dass er seiner Gesundheit damit schadet. Naja, ist ja dasselbe mit den Rauchern.
Im goldenen Glanz erstrahlt hingegen das Wahrzeichen Yangons – die riesige Shwedagon Pagode. Hier kann man gut und gerne einen ganzen Tag verbringen und hätte vermutlich noch nicht alles des 60.000m² Areals zu sehen bekommen. Es ist wirklich beeindruckend. Auch wir verbringen hier zahlreiche Stunden und die Zeit bis zum Sonnenuntergang vergeht wie im Flug. Es gibt so viel zu beobachten – Pilger, die den Schrein des Wochentages aufsuchen, an dem sie geboren wurden oder die den Boden fegen um sich eine Extraportion Glück zu erarbeiten.
Nachdem das Sonnenlicht am Horizont verschwunden ist, wandelt sich auch die Atmosphäre – zwar reißt der Strom an Touristen und Pilgern nur langsam ab, aber es werden rund um die Shwedagon Pagode Kerzen angezündet und laden zum Träumen ein.
Für unseren letzten Tag in Yangon haben wir uns eine Sightseeing-Tour der ganz besonderen Art aufgespart. Denn Yangon verfügt genau wie Berlin über eine „Ringbahn“. Der Circulator Train hält an 39 Stationen und braucht sage und schreibe drei Stunden für eine Runde. Wie wir finden eine tolle Art um die Stadt und vor allem deren Einwohner besser kennen zu lernen.
Die Tickets gibt es direkt am Bahnhof – genauer gesagt am Bahnsteig 7, an dem der Circulator Train auch abfährt. Das Ticket kostet uns 200 Kyat pro Person (läppische 13 Cent), wer mag kann an allen 39 Stationen aussteigen und später wieder zusteigen – das Ticket bleibt gültig. Wir ziehen es aber vor eine ganze Runde am Stück zu fahren.
Der Zug ist vor allem wegen der günstigen Preise sehr beliebt unter den Einheimischen – zwar gehört er absolut nicht zu den schnellsten Fortbewegungsmitteln, aber bei den Staus auf Yangons Straßen ist auch nicht gesagt, dass der Bus schneller ist.
Es ist Sonntag, daher ist relativ wenig los – aber es gibt trotzdem genug zu sehen. Der Blick aus dem Fenster ist aber nicht ganz so spannend wie das „Innenleben des Zugs“. Ich ziehe mit meiner Kamera durch die Abteile, während Tina sich fast zwei Stunden mit einem Einheimischen unterhält.
Er ist auf dem Weg zu einem Freund und sehr interessiert an uns und dem was wir bisher schon in seinem Land erlebt haben. Bewunderung empfindet er, dass wir das Privileg besitzen so viel von der Welt zu sehen, was er sicherlich niemals mit eigenen Augen sehen wird – er würde die Chance auch nutzen, wenn er könnte. Er fragt Tina Löcher in den Bauch über Deutschland und Europa. Was man sich dort alles anschauen kann, ob es dort schöne Strände gibt?
Einmal mehr wird mir, wie in so vielen Momenten dieser Reise, bewusst wie recht er hat!
Sein Englisch ist super, wenn man bedenkt, dass er sich alles selbst nur durch Hollywoodfilme und englischsprachige Popmusik beigebracht hat. Ich sag doch, dieser Zug ist die perfekte Art und Weise Land und Leute kennen zu lernen. Wir sorgen natürlich auch dafür, dass auch sein deutscher Wortschatz um ein oder zwei Worte erweitert wird. Natürlich nur die anständigen Sachen.
Die Zugfahrt gehört damit zu unseren Highlights unseres Aufenthalts in Yangon. Wenn du jemals hier sein solltest, dann darfst du dir das definitiv nicht entgehen lassen.
Nachdem wir nach drei Stunden wieder den Hauptbahnhof erreicht habe, ziehe ich am letzten Abend noch einmal mit der Kamera los. Yangon bietet die beste Kulisse um hier das authentische Leben auf der Straße fotografisch einzufangen.
Unser Fazit: Yangon ist irgendwie so ganz anders als wir es erwartet hätten und doch ganz typisch südostasiatisch. Unser klarer Gewinner im Hauptstadtduell!